Zu den Wurzeln der heutigen Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Budapest
Die Präsenz der Deutschen in der ungarischen Hauptstadt (dt.: Ofen, ung.: Buda) reicht bis ins Mittelalter zurück. Reiche Nürnberger Kaufleute siedelten sich hier seit dem 15. Jahrhundert an, ihnen gehörte auch die Hauptkirche (Liebfrauenkirche, heute Matthiaskirche). Ihre regen Kontakte nach Deutschland bewirkten, dass der Einfluss der Reformation die ungarische Hauptstadt relativ frühzeitig erreichte. Während der neun Jahre zwischen 1517 und 1526 waren die ersten Anhänger Luthers in Buda tätig. Es handelte sich dabei um Cordatus und Grynaeus. Nach der Schlacht von Mohács begünstigten die Kämpfe der Gegenkönige die Verbreitung der neuen Lehre. 1541 jedoch geriet Buda unter türkische Herrschaft, Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Christen aus der Stadt vertrieben. Nach der Befreiung von den Türken im Jahr 1686 sorgten die neuen habsburgischen Machthaber dafür, dass sich in Buda deutsche, jedoch katholische Leute ansiedeln durften.
Erst nach dem Toleranzpatent von Joseph II. entstand 1787 die evangelische Gemeinde in Pest. Die meisten Gemeindeglieder sprachen deutsch oder slowakisch, nur wenige ungarisch. Buda war zuerst eine Filiale der Pester Gemeinde. Wichtige Förderin der evangelischen Gläubigen wurde die württembergische Herzogin Maria Dorothea, die seit 1819 als Gemahlin des Palatins Joseph von Habsburg in Buda wohnte. Ihre tatkräftige materielle sowie sonstige Hilfe trug wesentlich dazu bei, dass sich 1844 die Budaer Gemeinde als unabhängige Muttergemeinde etablieren konnte. Ihr erster Pfarrer war Georg Bauhofer aus Sopron (Ödenburg). Die im Gottesdienst und im Gemeindeleben verwendete Sprache war vorwiegend das Deutsche. Buda war eher ein bürgerliches und administratives Zentrum. Bauhofers Tagebuch wird bis heute im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt und ist eine zeithistorische Quelle aus den 1840er Jahren. Am Paradeplatz (Dísz tér) – an der Stelle des in Ruinen liegenden Verteidigungsministeriums – wurde 1847 die erste evangelische Kirche errichtet. Nach Niederwerfung des ungarischen Aufstands und dem Ende des Freiheitskrieges gegen die Habsburger 1848/49 wurden die Protestanten unterdrückt, da sie der Beteiligung an der Rebellion verdächtig waren. Gerade ihre Rechte und ihre Situation wollte Georg Bauhofer mit seinem Buch über die Geschichte des ungarländischen Protestantismus in Europa bekanntmachen. Es erschien zuerst auf Deutsch, später auch auf Englisch.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb die offizielle Sprache der Ofner evangelischen Gemeinde deutsch. Im Jahre 1880 erschien die erste kurze Gemeindegeschichte – und zwar in deutscher Sprache. Als sich Gusztáv Scholz, der langjährige Pfarrer in Buda, entschied, zur Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts die Presbyterial-Protokolle auf Ungarisch ausfertigen zu lassen, erhoben nur ein paar ältere Presbyter dagegen ihre Stimme. Als die heutige Kirche im Jahre 1895 am Wienertor-Platz (Bécsi kapu tér) fertiggestellt war, befand sich die Gemeine auf dem Weg, Magyarisch zu werden. Trotzdem pflegten viele bürgerliche Familien zu Hause Deutsch als Zweitsprache und so ist es nie in Vergessenheit geraten. Beispielsweise trugen die deutschstämmigen Bürger aus Nordungarn (Zipser und andere) dazu bei, dass die deutschen Wurzeln lange lebendig blieben. Bis 1945 lebte in Pest eine deutsche Gemeinde, die mit der dortigen ungarischen Gemeinde als „Brudergemeinde” mit dem Zentrum am Deák tér die große Pester Gemeinde bildete. Bis 1945 hatten sie eigene Pfarrer und hielten deutschsprachige Gottesdienste ab.
Mit Kriegsende 1945 musste die deutsche Gemeinde ihre Tätigkeit in Pest einstellen. Aber der mutige Budaer Pfarrer Ferenc Sréter organisierte einen deutschen Bibelkreis. Diese winzige Keimzelle der heutigen Deutschsprachigen Gemeinde in Buda(pest) kann demzufolge auf eine lange Tradition zurückblicken.
18. Oktober 2013,
Miklós Czenthe