"Es ist wie ein Stück Deutschland in Budapest"

Carmen FoosSeit Anfang November 2011 hat die 22-jährige Studentin der Religionspädagogik / Gemeindediakonie Carmen Eva Foos in unserer Gemeinde ein Praktikum absolviert. Die gebürtige Badenerin aus der Melanchthonstadt Bretten engagierte sich praktisch vom ersten Tag an in allen Bereichen unseres Gemeindelebens: Da gab es dankbarere Aufgaben wie die Gestaltung des Kindergottesdienstes, die musikalische Bereicherung durch Flöten- oder Klarinettenspiel – aber auch „undankbarere“ doch gleichfalls wichtige Dienste wie etwa der der Protokollantin unserer GKR-Sitzungen. Anfang März endet für Carmen die Zeit bei uns. Grund genug, ihr einige Frage zu stellen.

Was würdest du am liebsten mit in die Heimat zurücknehmen? 
Carmen: Am liebsten würde ich die Gemeinde mitnehmen. Hier herrschen Offenheit und man geht aufeinander zu. Es ist nicht wie bei uns zu Hause, wo jeder in seiner Kirchenbank sitzt und nach dem Gottesdienst gleich wieder verschwindet.

Hattest du vor deiner Zeit hier in Budapest Vorurteile hinsichtlich des Landes, der Stadt oder der Gemeinde?
Nein, hatte ich nicht.

Was hältst du für den wichtigsten Unterschied zwischen unserer und deiner Heimatgemeinde? 
Zunächst einmal die Größe. Das ist hier viel kleiner. Dafür, dass die Gemeinde relativ klein ist, sind die Angebote recht gut besucht, was bei uns zu Hause nicht so ist. Außerdem ist hier der Pfarrer nicht „nur“ Pfarrer, sondern auch Gemeindesekretär..., eigentlich alles. Zu Hause haben wir mehr Hauptamtliche, die sich die Arbeit aufteilen.

Wie hast du das Leben in der Großstadt Budapest erlebt?
Am Anfang war es ein bisschen stressig, weil ich nicht wusste, wo die Busse hinfahren, in denen ich gerade sitze. Und auch hinsichtlich der Sprache war das am Anfang schwierig. Aber ich habe gemerkt, dass die meisten Leute doch hilfsbereit sind. Immerhin denke ich, dass man mit Deutsch doch eher vorankommt als mit Englisch.

Deine größte Freude war... 
Dass ich Weihnachten nicht allein sein musste, sondern gemeinsam mit Familie Erlbruch feiern konnte.

Deine größte Enttäuschung war... 
...das ungarische Pflegesystem. Das Krankenhaus, in dem Pfarrer Erlbruch und ich ein Gemeindemitglied besucht haben, hat mich sehr schockiert. Auch der Besuch im Sarepta war doch sehr verstörend, weil einfach die Verhältnisse, wenn man sie mit Deutschland vergleicht, deutlich schlechter sind. In Sarepta beispielsweise leben sechs bis acht Personen in einem Zimmer. Bei uns in Deutschland hat jeder ein Einzelzimmer. Auch die Ausstattung ist gar nicht vergleichbar.

Was nimmst du aus Budapest mit in deine Zukunft? 
Eine Erkenntnis. Ich habe hier erst richtig gemerkt, wie gut es uns in Deutschland geht. Hier ist zwar Europa, aber doch herrscht hierzulande relativ viel Armut. Gerade da, wo ich wohne, leben in einem kleinen Waldstück Obdachlose. Morgens werden immer die Mülltonnen durchsucht. Das hat mich sehr schockiert!

Gibt es eine Art Fazit deiner Zeit in unserer Gemeinde? 
Ich habe gemerkt, dass Gemeinde nicht nur Kirche und Gottesdienst ist, sondern dass sie für viele Menschen auch ein Stück Heimat darstellt, weil sie Deutsche treffen können. Das trifft natürlich vor allem für die zu, die die ungarische Sprache nicht beherrschen. Da wird die Gemeinde zum Heimatort, wo sie ihre Sprache sprechen können. Es ist wie ein Stück Deutschland in Budapest.

Vielen Dank, Carmen, für deinen wichtigen, wertvollen Dienst in der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Budapest. Für  deine Zukunft wünschen wir dir alles Gute und Gottes Segen.